Klangkörper als Stimme des Menschen

In den Genuss einer ganz besonderen Konzertlesung kamen unlängst die Zuhörer, die der Einladung von Kultur Plus, dem Verein Freunde und Förderer der Diakonie Lübbecke und der Diakonische Behindertenhilfe Berghei mat in die evangelische Kirche in Nettelstedt gefolgt waren. Mit Geigenbaumeister Martin Schleske konnten die Veranstalter einen Meister seines Faches begrüßen, der es verstand die zahlreichen Zuhörer auf eine Reise mitzunehmen, die weit über handwerkliche und bautechnische Darstellungen hinausging.


„Der Klang. Vom unerhörten Sinn des Lebens“ lautet der Titel des Buches, das Schleske der Entstehung seiner Instrumente gewidmet hat. „Das Geheimnis des Hörens bedeutet, dass der Kopf zu zwei großen Ohren wird“, so der studierten Physikingenieur, der die geistige und emotionale Dimension des Klangs und des Klangerlebnisses hervorhob. An seiner Seite der italienische Violinist Alban Beikircher, der die Schöpfungen Schleskes auf einem Instrument des Geigenbauers akustisch visualisierte. Mit Klängen vom Barock bis zur Moderne war das Wesen und Gefühl eines solchen Klangkörpers spürbar. Und noch mehr – die Emotionen beim der Kreation einer Geige, was einen leidenschaftlichen Geigenbauer wie Schleske zu dem entstehenden Instrument in Beziehung treten lässt.

 

„Als eine individuelle Klangskulptur versteht Schleske jedes seiner Instrumente, als Klangkörper, dem es gelingen soll, die Stimme des Menschen zu sein. „Der Schaffensprozess, von der Suche des Klangholzes in den Hochlagen der Bergwälder bis zum Auspolieren des letzten Lackanstriches, nimmt viele hundert Stunden ein. Letztlich kommt meine künstlerische Berufung als Geigenbaumeister nur dort zum Ziel, wo es mir gelingt, dem Musiker mit meinem Instrument eine Stimme zu geben“, so der Experte, dessen Meisteratelier in der Nähe von München etwa 20 Instrumente jährlich verlassen. Diese werden mitunter von renommierten Solisten und Konzertmeistern weltweit gespielt. Bei hervorragenden Musikern könne man beobachten, dass ihr Instrument Teil ihres Körpers sei.

 

Als „Lehrmeisterinnen“ bezeichnete er die Instrumente, die ihn zur Schaffung eigener Klangkörper animiert und in deren Bauweise beeinflusst hätten, angefangen von einer „Montagnana-Geige“, die alles auf den Kopf gestellt habe, was er in seiner Ausbildung gelernt habe. Dem Klanggeheimnis auf der Spur, bekam er die Süße und Noblesse der „Stradivari“ zu spüren, seine dritte Lehrmeisterin war schließlich die Violine von Guarneri del Gesu, deren leidenschaftlicher Klang ihn zutiefst beeindruckte. Alle drei Varianten beeinflussten letzten Endes die eigene Modellentwicklung. Die Opus 149, die das Publikum an diesem Abend live genießen konnte, zeigte einen weichen und zugleich tragenden Klang, was Beikircher mit Werken von Johann Sebastian Bach, Nicolo Paganini und Witold Lutoslawski eindrucksvoll demonstrierte. Auch die Phasen des Geigenbaus, vom Auffinden des richtigen Holzes der Bergkiefer bis hin zur Wölbung und Lackierung des Instrumentes, ließ Schleske nicht außen vor – garniert mit heiteren Anekdoten aus seinem Leben und Berufsalltag. Begeistert zollten die Zuhörer sowohl dem Autor als auch dem Musiker lang anhaltenden Applaus. Beide ließen den Abend zu einem harmonischen Ganzen verschmelzen.